Auch wenn es derzeit nach einer vorläufigen Einigung in Sachen Brexit aussieht, besteht weiterhin die Gefahr eines sogenannten „harten Brexits“. Große Unternehmen kalkulieren daher weiterhin mit dem schlimmsten Szenario.
Bereits kurze Zeit nachdem Großbritanniens Premierministerin Theresa May und das Kabinett den EU-Einigungsvertrag verabschiedet hatten, kam es zu ersten Auflösungserscheinungen. Am Donnerstag waren einige Minister und Staatssekretäre zurückgetreten, weil es aus deren Sicht zu große Zugeständnisse an die EU gegeben habe. Den Anfang hatte Brexit-Minister Dominic Raab gemacht. Es folgte Arbeitsministerin Esther McVey sowie der Nordirland-Staatssekretär Shailesh Vara sowie die Brexit-Staatssekretärin Suella Braverman. Auch im Parlament war die Kritik an dem Kompromiss laut geworden. Seitens der Abgeordneten des nordirischen Koalitionspartners DUP war zu hören, dass man dem Vertrag keinesfalls zustimmen werden. Ein geordneter Brexit ist daher derzeit noch nicht in Sicht und auch zahlreiche deutsche Unternehmen sorgen aktuell für den schlimmsten Fall vor. Dazu rät auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (BDI). Es sei zu früh, um erleichtert zu sein, sagt der Hauptgeschäftsführer des BDI, Joachim Lang. Es sei noch unsicher, ob die Ergebnisse der Verhandlungen auch ratifiziert werden würden.
Zudem hätten zahlreiche Unternehmen bereits damit begonnen, sich auf einen harten Brexit vorzubereiten und daher Produktionsstätten verlagert oder Lieferanten gewechselte. Dies sagt Michael Hüther, der Chef des arbeitgebernahmen Instituts der Deutschen Wirtschaft. Insbesondere die Automobilindustrie rechne insgesamt mit Mehrbelastungen von zwei Milliarden Euro durch etwaige Zölle, wenn Zulieferteile oder Vorleistungsgüter künftig von Großbritannien eingeführt und dann verzollt werden müssten.
Mit Grenzkontrollen sowie regulatorischen Hindernissen und Zöllen rechne inzwischen jedes zweite Unternehmen. Diese Erkenntnisse resultieren aus einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die allerdings noch vor den aktuellen Ereignissen erhoben wurde. Damals fürchteten noch mehr als die Hälfte der Unternehmen, die in Großbritannien aktiv seien, dass es mittelfristig zu Verteuerung der Waren aufgrund von Zöllen kommen werde. Nur fünf Prozent gingen davon aus, dass alles weiterlaufen werde wie bisher.